Barenboim Daniel: Die Musik mein Leben
Leseprobe
‚Live in music’, 2.Aufl. List-Tb, Ullstein-Verlag München 2002
Barenboim schreibt: „Eine der wichtigsten Eigenschaften des Menschen ist sein Freiheitsstreben. Es ist nicht nur auf der Erlangen politischer Freiheit ausgerichtet, sondern auch auf die Freiheit des Denkens und Handelns. Aber der Mensch ist sehr oft ein Sklave der Natur – er ist der Sklave seiner Gefühle, dessen, was er liebt, was er hasst, der Familie, der Gesellschaft und der Kirche. Frei von etwas zu sein, heißt oft, Sklave von etwas anderem zu sein. Herr dessen zu werden, dessen Sklave man gewesen ist, heißt oft, dass man in einer anderen Form Sklave wird – im Sinne der Abhängigkeit, der physischen, materiellen oder emotionalen Bedürfnisse… Wer lernen möchte, wie es sich in einer demokratischen Gesellschaft lebt, sollte einmal in einem Orchester mitspielen. Dann weiß man nämlich, wann man führen und wann man folgen sollte. Man lässt anderen Raum, hat aber keine Hemmungen, ebensolchen Raum für sich selbst zu beanspruchen. Und dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist Musik das beste Mittel, um Probleme der menschlichen Existenz zu entfliehen. …(Im Ouest- Eastern- Orchestre) haben Musiker aus Israel und den arabischen Ländern zusammengearbeitet und gezeigt, dass eine zuvor für unmöglich erachtete Annäherung und Freundschaft durch Musik erzielt werden kann; dies bedeutet jedoch nicht, dass Musik die Probleme des Nahen Ostens lösen wird. Musik kann die beste Schule des Lebens sein – und zugleich das beste Mittel, ihm zu entfliehen“. (Über das bereits legendäre Konzert des Ouest- Eastern- Orchestre Ouest-Eastern- Orchestre) in Ramallah haben wir in Heft 37 berichtet).