Schüle, Christian: Deutschlandvermessung
Taschenbuch Piper-Verlag München 2006
Er nennt sich „Ichling“, blickt aber zeitlich und räumlich weit über sich hinaus. Vor dem Hintergrund einer vertieften Allgemeinbildung analysiert Schüle die Zeitströmungen seit 1945 sehr zutreffend und misst sie an ihrem Beitrag zur kulturellen Weiterentwicklung, mit dem Ergebnis: Die Konzentration auf die Verarbeitung der Vergangenheit hat uns Deutsche gehindert, in die Zukunft zu blicken und zu denken. Seine sachliche, weil grundlegende und existenzielle Kritik ist als Aufforderung zur Neuorientierung zu verstehen, nachdem es einem Volk der Dichter und Denker nicht gelungen ist, den grausamsten Rückfall in die Barbarei entgegenzutreten. Sein Blick auf die seit 1985 um sich greifende Ego-Krankheit mahnt Schüle zur Eile. Vermutlich werden seine wohlgemeinten Ratschläge zu gegenseitiger Verständigung nicht ausreichen, nachdem die destruktiven Elemente in unserer Gesellschaft immer wieder ausreichend Schlupflöcher finden, um sich der Verantwortung in einer freiheitlichen Demokratie zu entziehen.
Eckart Sturm